Intensives Theatererlebnis im Klassenzimmer

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Mobiles Theater gastiert mit Büchners Gesamtwerk am Lise-Meitner-Gymnasium

Das Profi-Theater TheatermobileSpiele aus Karlsruhe setzte dramaturgisch Leben und Werk des Schriftstellers Georg Büchner am Lise-Meitner-Gymnasium in Szene. Die angehenden Abiturienten, die sich in den vergangenen Wochen intensiv mit der abiturrelevanten Lektüre „Dantons Tod“ von Büchner im Deutschunterricht auseinandergesetzt hatten, folgten mit Spannung dem Ein-Personen-Stück „Büchner. Die Welt. Ein Riss“. Nach der einstündigen Vorstellung standen Regisseur Thorsten Kreilos und Schauspieler Georgios Tzitzikos dem jungen Publikum Rede und Antwort.
Das Theaterstück über das Gesamtwerk des jung verstorbenen Georg Büchner aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts zeigt wiederkehrende Motive und werkübergreifende Themen. Damit soll die dokumentarische Arbeitsweise des Autors betont werden, der auf der Grundlage von realen gesellschaftlichen oder biografischen Erlebnissen und mit Hilfe historischer und literarischer Quellen seine Werke verfasste.

Gleich zu Beginn der Inszenierung belegen Zitate aus dem Revolutionsdrama „Dantons Tod“ die Nähe von Wiege und Sarg, von Geburt und Tod. Weitere Textstellen aus dem „Hessischen Landboten“, dem wegweisenden Flugblatt, das 1834 von Büchner mit verfasst wurde, zeigen die politische Seite des jungen Schriftstellers aus Darmstadt. Einem Seismografen gleich hatte er früh das Gespür für die damals entstehenden gesellschaftlichen Spannungen zwischen den „armen Leut`“ und der besitzenden Klasse entwickelt. Er lässt den Anti-Helden Woyzeck aus dem gleichnamigen Dramenfragment als „geschundenen Kreatur“ erscheinen, in der Inszenierung trägt der Schauspieler in diesen Szenen eine Hundeleine um den Hals. Damit wird Büchner Wegbereiter für die Themen der Sozialdramen, die in den nachfolgenden Epochen Realismus und Naturalismus entstehen werden.
Die metaphysische Ebene wird im Theaterstück durch Dantons Frage „Was ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und mordet?“ thematisiert. Hier wird der Mensch, einer Marionette gleich, „von unbekannten Gewalten an Drähten gezogen“ dargestellt, fatalistisch den historischen Gegebenheiten der Geschichte ausgeliefert. Höhepunkt des Theaterstücks ist der Dialog zwischen den Revolutionsführern Danton und Robbespierre. In Bruchteilen von Sekunden wechselt Einzeldarsteller Tzitzikos zwischen den Rollen der beiden Protagonisten, eine schauspielerische Meisterleistung. Das Stück endet auf einer gänzlich leergeräumten Bühne, einzig mit einer Guillotine bestückt, die im Verlauf der Handlung aus unterschiedlichen Requisiten herausgeschält wurde. Zu dem Zitat „Ich bin kein Guillotinemesser“ fällt das Fallbeil – ein Verfremdungseffekt nach Art Bertolt Brechts.

Im Nachgespräch lobte Schauspieler Georgios Tzitzikos die hohe Konzentration, mit der die jungen Zuschauer das Geschehen auf der Bühne in einem Klassenzimmer des Lise-Meitner-Gymnasiums verfolgt hatten. Durch die räumliche Nähe entstand ein feiner Magnetismus im Spieler-Zuschauer-Kontakt. Die positiven Reaktionen des Publikums veranlassten den Darsteller weitere Register seines Könnens zu ziehen. Das Schmunzeln der Schüler, als König Peter aus „Leonce und Lena“ sich die aus der Werbewelt bekannte Burger-King-Krone aufs Haupt drückt, erhöhte die Aufmerksamkeit auf den nachfolgenden Text, in dem Büchner die phrasenhafte Sprache der Monarchen entlarvt und auf die Szene, als der Knopf im Taschentuch des Königs ihn an sein – fast vergessenes –Volk erinnert. Feine, spitzfindige Kritik an den Herrschern zu Zeiten, als diese Kritik Verfolgung und Verhaftung nach sich zog. Büchner, der seiner Verhaftung durch Flucht in die Schweiz entkam, hat es am eignen Leib erfahren. Eine kurzweilige, aber auch lehrreiche Stunde zu Themenbereichen innerhalb von Literatur und Geschichte, die angehenden Abiturienten dankten es mit langem Applaus und mit hoffentlich vielfältigen Erkenntnissen für das nachfolgende Abitur.

Gabriele Ferchow

Foto: Oberstufenschüler am LMG erleben Theaterstück mit Auszüge aus Büchners Gesamtwerk hautnah.