Studienfahrt der Klassen 9 des LMG in die „Stadt der Gegensätze“ – Weimar
Im Deutschunterricht behandelten die Neuner des Lise-Meitner-Gymnasiums Crailsheim im April / Mai die „Topstars“ klassischer, deutscher Literaturgeschichte: Goethe und Schiller. In Geschichte parallel dazu das Dritte Reich und seine ausufernde Ideologie, welche menschenfreundliche Errungenschaften der Klassik wie Toleranz, Harmonie und Frieden mit Füßen trat. Deshalb gab es nur ein Ausflugsziel welches beides gegensätzlich vereint – eben Weimar.
Die beiden neunten Klassen des Lise-Meitner-Gymnasiums begaben sich auf den Weg in das deutsche Athen – Athen, die eigentliche Wiege der Klassik. Weimar, Stadt der Dichter und Denker, jedoch auch die Stadt, in deren Umfeld vielen Menschen Unrecht widerfuhr.
Dieser Ausflug sollte uns nun die schöne kulturelle, klassische, jedoch auch die schreckliche Seite zeigen. Nach amüsanter Fahrt, kamen wir zur Jugendherberge. Die erste Überraschung, die uns erwartet hatte, war allerdings schon der Weg durch den Wald zur Jugendherberge, der eine gefühlte Ewigkeit dauerte; man hörte schon viele im Bus „oh nein, ich hab´ kein Netz mehr!“ rufen. Wahrlich eine große Misere in heutiger Zeit! Zu aller Erleichterung versüßte uns eine Info der JuHe mit dem WLAN-Passwort die Ankunft. Die Betten wurden bezogen und ohne Pause ging es weiter mit unserem Bus bei unerwartet schönem Sonnenschein ins Zentrum des klassischen Weimar. Allen war Weimar bisher kaum ein Begriff, wenn überhaupt aus dem Geschichtsunterricht im Rahmen der Beschäftigung mit der Weimarer Republik; daher kam es gelegen, eine von den Lehrern vorbereitete Rallye, die uns durch die gesamte Stadt führte, in Angriff zu nehmen. Vorbei an Schillers Wohnhaus bis hin zu Goethes Gartenhaus, vorbei am Nationaltheater, der Gruft, in welcher die beiden Helden schlummern bis zur berühmten Anna-Amalia-Bibliothek. Wir konnten Weimar somit auf eigene Faust (!!) erkunden. Das Ganze noch garniert mit der Kreativaufgabe Fotos mit Weimarer Bürgern zum Thema „Gegensätze“ zu schießen. Sammelplatz war das Denkmal unserer beiden Dichter, welches wir optisch schon mehrfach aus dem Unterricht kannten. So in echt jedoch…durchaus beeindruckend; ebenso aber auch die unerwartete Kraft der Sonne, welche manche Mädchengruppe aus Ermangelung an Sonnenschutz zu einer ausgiebigen Sonnenbrillenshoppingtour inspirierte. Zurück an unserer Jugendherberge machten wir uns schick, schließlich stand uns ein Theaterstück bevor. Wieder im abendlichen Zentrum, stöckelten wir erst mal am Nationaltheater vorbei. Große Verwirrung konnte man von den Gesichtern aller ablesen…“nicht da rein“? Zur ‚Freude‘ aller Mädchen ging es nämlich nicht ins Nationaltheater, sondern ins „Theater im Gewölbe“, eine Art Miniatur des großen Hauses.
‚Dieser Weg, wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer.‘ Diese Liedzeile beschreibt sehr gut die Gedanken aller Mädchen mit ihren 7 cm hohen Schuhen. Was uns nämlich keiner gesagt hatte, war, dass es keine asphaltierten Wege und Straßen im Zentrum Weimars gibt – nur Kopfsteinpflaster! Zum Glück gab es ein paar Gentleman in der Klasse, die die Mädchen auf den Schultern über die Pflastersteine trugen. Leider waren aber nur ca. ¼ der Schüler männlich. Die restlichen Mädchen liefen also barfuß oder unter Schmerzen bis zum Theater. Nach dem Stück namens ‚Schillers Glanz und Goethes Gloria‘ waren die Meinungen so geteilt wie die Absätze der Mädchen. Nach 23 Uhr waren wir endlich wieder in der Herberge angekommen. Total übermüdet machten wir uns so schnell wie möglich auf den Weg ins Bett, da uns ein anstrengender Tag voller Gegensätze bevorstand.
Nach einer kurzen und schlaflosen Nacht war es für uns am nächsten Morgen Zeit zu packen und wir verließen die Jugendherberge, um unsere Wanderung zum ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg unweit von Weimar anzutreten. Wir verstauten unsere Koffer im Bus und liefen die sogenannte Blutstraße, welche schon die Häftlinge während der NS-Herrschaft antreten mussten, durch den Wald zum Konzentrationslager. Gedankenverloren marschierten wir an Gedenksteinen vorbei, ließen Häftlingsfriedhöfe am Wegesrand passieren und liefen bedrückt über den Hof des ehemaligen KZ zur Gedenkstätte. Nach einem kurzen Film, der die abscheulichen Geschehnisse der NS-Zeit zusammenfasste, ging man mehr auf die Details ein. In einer folgenden Führung durch die Gedenkstätte bekamen wir die eisige Kälte, die dort herrschte, zu spüren. „Jedem das Seine“ wurde den Häftlingen bei der Ankunft am Haupttor bizarr kenntlich gemacht Wir durften die Baracken, das Krematorium, medizinische Versuchslabore, den Leichenkeller und den zugigen Appellplatz, welche teilweise noch komplett erhalten geblieben sind, von Nahem besichtigen. Durch das am heutigen Tag nicht mehr warme, sonnige Wetter, konnte man sich noch viel spürbarer in das Leid der Häftlinge hineinversetzen, da uns ebenso der eisige Wind auf dem Exerzierplatz um die Ohren wehte, und wir standen hier nur 10 Minuten und keine 5 Stunden!
Nach all den Impressionen und einem warmen Mittagessen ging es mit dem Bus weiter zum Glockenturm, von dem aus man einen sehr weiten, abschließenden Ausblick auf die Weimarer Ebene hatte. Da wir alle von der Wanderung und der Führung durch die Gedenkstätte Buchenwald erschöpft waren, begaben wir uns, immer noch in Gedanken an die unvorstellbaren Dinge die dort einst geschehen sind, im Bewusstsein auf den Heimweg, dass Gegensätze, die uns in Weimar exemplarisch offenbart wurden auch in der heutigen Zeit in Gesellschaft, Menschheit und generell auf der Welt durchaus noch spürbar und erlebbar werden – leider.
(Klasse 9a des LMG Crailsheim im Rahmen des HT –Zeitungsprojektes 2016.)